Immer mehr Menschen haben Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung: Zwischen 2016 und 2021 ist die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von 3,1 Millionen auf 5 Millionen gestiegen. Voraussetzung für den Bezug von Pflegeleistungen ist die Pflegebegutachtung beim Medizinischen Dienst, der die Pflegebedürftigkeit des Versicherten feststellt und einen Pflegegrad empfiehlt. Die Begutachtungszahlen des Medizinischen Dienstes sind von 1,8 Millionen im Jahr 2016 auf 2,6 Millionen in 2022 gestiegen − Tendenz weiter steigend. „Damit die Versicherten zeitnah Zugang zu den Leistungen erhalten und Versorgungssicherheit haben, brauchen wir jetzt die Flexibilisierung der Begutachtungsformate. Dazu gehören die Wiedereinführung des strukturierten Telefoninterviews und die schrittweise Nutzung der Digitalisierung“, sagt Carola Engler.
Sachgerechter Einsatz der kostbaren Ressource Pflegekraft
Die Pflegebegutachtung erfolgt beim Medizinischen Dienst durch qualifizierte Pflegefachkräfte im Hausbesuch. Die Medizinischen Dienste in den Ländern haben in den vergangenen Jahren mit erheblichen Personalverstärkungen und Optimierungen in den Abläufen proaktiv reagiert, um die zeitnahe Begutachtung sicherzustellen. Die Anzahl der Vollzeitstellen für Pflegefachkräfte ist zwischen 2016 und 2021 bundesweit um 43 Prozent gestiegen. Aufgrund des Fachkräftemangels stehen bei den Medizinischen Diensten jedoch immer weniger Pflegefachkräfte zur Verfügung; und dieser Trend verschärft sich durch den demografischen Wandel. „Ein sachgerechter Umgang mit der kostbaren Ressource Pflege-kraft ist unbedingt erforderlich. Dazu kann die Wiedereinführung der Telefoninterviews wesentlich beitragen“, erläutert Engler.
Erstbegutachtung weiterhin im Hausbesuch
Die Erfahrungen aus der Pandemie haben gezeigt, dass das strukturierte Telefoninterview eine gleichwertige Alternative zum Hausbesuch sein kann. Die Pflegegradverteilung blieb bei der Telefonbegutachtung bundesweit stabil und die Zufriedenheit der Versicherten mit dieser Begutachtungsform war genauso hoch wie bei den Hausbesuchen. Die Telefonbegutachtung eignet sich vor allem bei Höherstufungsanträgen, deren Anzahl sich zwischen 2016 und 2022 von 0,6 Millionen auf 1,2 Millionen verdoppelt hat.
Höherstufungsanträge werden von Versicherten gestellt, bei denen der Grad der Pflegebedürftigkeit zugenommen hat und die bereits vom Medizinischen Dienst in eigener Häuslichkeit begutachtet worden sind. Das können zum Beispiel Versicherte sein, die an fortgeschrittenen Krebserkrankungen oder Demenz leiden. „In solchen Situationen geht es darum, eine zügige Begutachtung ohne Belastung für die Betroffenen zu ermöglichen, damit sie schnell ihre Leistungen erhalten können. Das Telefoninterview ist dafür sehr gut geeignet“, erklärt Engler. „Die Erstbegutachtung sollte dagegen weiterhin im Hausbesuch erfolgen.“
Qualitativ hochwertige Begutachtung sichern – digitale Formate schrittweise einführen
Der Medizinische Dienst hat während der Pandemie auch Videobegutachtungen in Pflegeeinrichtungen getestet, um deren Potenzial für die Weiterentwicklung der Begutachtungsformate zu eruieren. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass Videobegutachtungen sehr gut geeignet sind, um ortsungebunden und flexibel qualitativ hochwertige Pflegebegutachtungen durchzuführen. Derzeit wird eine große Forschungsstudie mit der Universität Bremen auf den Weg gebracht, um Eignung, Güte und Einsatzmöglichkeit der Videobegutachtungen wissenschaftlich zu untersuchen. Dieses Format gilt es, in einem zweiten Schritt für die Versicherten anzubieten. Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit von W-LAN, das derzeit weder in Pflegeheimen noch in der ambulanten Versorgung flächendeckend vorhanden ist.
Pressekontakt
Michaela Gehms, Pressesprecherin Medizinischer Dienst Bund
Tel. 0201 8327-115; Mobil: +49 172 3678007 Email: m.gehms(at)md-bund.de
Der Medizinische Dienst Bund ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Träger sind die Medizinischen Dienste in den Ländern. Der Medizinische Dienst Bund koordiniert die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste und erarbeitet Richtlinien für ihre Tätigkeit. Zudem berät er die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung auf Bundesebene, z.B. in den Gremien der Selbstverwaltung wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss.
Die Medizinischen Dienste in den Ländern begutachten Versicherte auf Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung im Auftrag der Krankenkassen. Die Medizinischen Dienste führen zudem Qualitäts- und Strukturprüfungen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern durch.
Meldung
Pflege zukunftsfest gestalten – Versorgung sicherstellen
Der Gesetzentwurf zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG) sieht Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in der Pflege und zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vor. Darin sind Anpassungen vorgesehen, um die gestiegenen Kosten der Pflege abzufedern. Darüber hinaus wird dem Medizinischen Dienst Bund die Möglichkeit eröffnet, aus Mitteln des Ausgleichsfonds Modellprojekte und Studien zur Weiterentwicklung der Pflegebegutachtung durchzuführen. Alle diese Maßnahmen begrüßt der Medizinische Dienst ausdrücklich. „Es ist notwendig, mit der Reform jetzt wirksame Maß-nahmen vorzusehen, um die Pflegebegutachtung zukunftsfest zu gestalten und die Versorgung im demografischen Wandel sicherzustellen“, sagt Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund im Vorfeld der morgigen Anhörung zum PUEG.